Nun weiß ich nicht, welche Nachricht den größeren Stellenwert hat. In Doha hat es heute geregnet. Beweisfoto folgt später. Ich muss erst noch anderes mitteilen. Deutschland schlägt Russland im zweiten Gruppenspiel ganz knapp mit 27:26 (9:13).
Beide Teams hatten ihr erstes Gruppenspiel gewonnen. Die Russen mussten allerdings auf Torhüter Vadim Bogdanov verzichten. Im deutschen Tor begann erneut Silvio Heinevetter. Heute erwischte er einen besseren Start, wehrte er doch gleich einen Siebenmeter ab.
Auftrieb gab das dem deutschen Team aber nicht. Es hatte arge Probleme im Abschluss und im weiteren Verlauf der ersten Hälfte zunehmend im Aufbau. Trotz einiger Überzahlsituationen klappte das Kreuzen zu selten, wurde allgemein zu statisch und hektisch agiert. Die Russen verteidigten exzellent und schufen sich so einige Konterchancen, die allesamt konsequent genutzt wurden.
Ein Pausenrückstand von vier Toren war die Folge. Wie in der Vorschau beschrieben, schafften es die Russen flexibel zu agieren und sich am Kreis teils durch wunderbare Anspiele freie Schussmöglichkeiten zu verschaffen. Sieben verschiedene Torschützen waren zu diesem Zeitpunkt auf russischer Seite auf dem Spielberichtsbogen zu finden, wobei keiner mehr als drei Treffer erzielt hatte.
Auf der anderen Seite des Berichts hingegen stach Uwe Gensheimer mit vier Toren hervor, zwei steuerte Steffen Weinhold ein. Das Duo zeichnete also für zwei Drittel der deutschen Tore verantwortlich.
Lediglich 500-1000 Zuschauer beobachteten das Treiben in der Halle. Die Oberränge waren zu großen Teilen abgeklebt. Der russische Fanblock bestand aus nicht mehr als zwei Dutzend Fans. Die deutschen Anhänger waren in der Überzahl und doch hatte ich den Eindruck, dass zum Auftakt gegen Polen mehr in der Halle gewesen waren. Hat die Abreise des FC Bayern doch irgendeinen Einfluss?
Mit Schwung kam die deutsche Auswahl aus der Kabine. Blitzschnell war der Rückstand egalisiert. Alles, was in der ersten Hälfte nicht geklappt hatte, funktionierte nun. Die Angriffe hatten mehr Tempo, Positionen wurden gewechselt und die russische Abwehr so auseinandergezogen. Folge waren freie Würfe, speziell am Kreis war das Team nun präsenter. Auch andere als Gensheimer trugen sich nun regelmäßig in die Torschützenliste ein.
Die Partie wurde härter. Die beiden Berliner Clubkollegen Konstantin Igropulo und Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) gerieten nach einem Strafwurf aneinander, da Letzterer dem Gegenspieler vorwarf, den Ball zu nah an seinem Kopf vorbei geworfen zu haben.
Die deutsche Mannschaft hatte einen 10:4-Lauf, führte also mit zwei Treffern. Die Russen hielten dagegen und schafften den Ausgleich. Dies hatte den nächsten Schachzug von Coach Dagur Sigurdsson zur Folge. Der Trainer brachte nun doch Carsten Lichtlein, der wie gegen Polen erneut überzeugen konnte. Er und seine Vorderleute bauten den Vorsprung in der 57. Minute auf drei Tore aus.
Das Spiel schien entschieden. Doch der Gegner gab nicht auf. Zwei leichtsinnige Fehler verschafften den Russen schließlich in Überzahl dreißig Sekunden vor Schluss die Chance auf ein Remis. Doch es reichte nicht mehr zu einem Abschluss, womit mein Tipp faaaaast richtig war – ein dezenter Hinweis als kleine Rehabilitation ...
Damit ist das deutsche Team mit mehr als einem Bein im Achtelfinale. Nun spielt es ohne Zweifel um die Plätze eins und zwei in der Gruppe, was wahrscheinlich einen leichteren Gegner in der KO-Runde zur Folge hätte.
Ein Ärgernis bleibt der tägliche Transport. Hinwärts gab sich der mir mittlerweile sehr vertraute Chauffeur, er trug heute erstmals sogar Krawatte, auf dem Weg zur Sammelstelle alle Mühe den allgemeinen Stau per Schleichwege auszutricksen. Hätte auch geklappt. Doch dann war ein Verkehrspolizist im Weg, der uns über fünf Minuten an einer Ampel auf die Weiterfahrt warten ließ, weil er meinte, individuell könne er den Traffic besser steuern.
Nun noch zur Sensation – dem Regen! So besonders ist das aber dann doch nicht. Denn als Hamburger bringe ich das Schietwetter natürlich überall hin mit - sogar in die Wüste. Nach diesem verregneten Winter wundert das wirklich niemanden mehr. Gestern schon fielen erste Tropfen. Heute reichte es sogar für Pfützen. Immerhin ist das Dach des Raumschiffs wetterfest. Das haben sie schon einmal besser hingekriegt als die Stadionbauer in Frankfurt.
Auf der gestrigen Pressekonferenz lobte Dagur Sigurddson sein Team noch einmal: „Wir haben guten Handball gespielt. Wir haben in den schwierigen Phasen der zweiten Halbzeit Charakter gezeigt und in meinen Augen verdient gewonnen.“
Angesichts des nächsten Gegners hat der Bundestrainer allerdings „seit der Auslosung kein richtig gutes Gefühl.“ Der Gegner spiele seit zwei Jahren einen moderneren Handball und sei gut besetzt. Deshalb sieht er die Chancen bei 50 zu 50.
Nach dem Auftaktsieg ist die Erwartungshaltung natürlich gestiegen. Das deutsche Team geht als leichter Favorit gegen den Tabellenführer in die Partie. Der erste Gegner der Russen war kein Gradmesser. Gegen das zweitklassige Saudi-Arabien gewann die Sbornaja locker leicht mit 27:17.
Der russische Kader besteht fast nur aus Spielern, die in Russland oder dem sonstigen Osteuropa ihr Geld verdienen. Eine Ausnahme bilden dabei lediglich Konstantin Igropulo (Füchse Berlin) und Sergey Kudinov (Mainvillers Chartres/FRA).
Die Umstellung des Spielsystems war auch dringend nötig. Das letzte Mal auf dem Podest einer großen Veranstaltung stand das russische Team 2004 in Athen als Bronzemedaillengewinner. Bei den letzten neun großen Turnieren kam man nur zweimal unter die ersten Zehn.
Schon seit gut drei Wochen sind die Russen in Katar. Bei Testspielen gegen den Gastgeber und Serbien wurden die Hallen getestet. Man sieht sich - wie das deutsche Team selbst – in einer Außenseiterrolle. Die Zugehörigkeit zur erweiterten Weltspitze soll aber erreicht werden. Ziel ist die Zulassung zu den Qualifikationsturnieren zu Olympia 2016, also Platz 7.
Die Stärke der Mannschaft ist die Defensive, die auch gegen Saudi-Arabien überzeugte und immerhin neun Tempogegenstöße einleitete, von denen sieben in Treffern mündeten. Zwei Dinge haben sich unter dem neuen Trainergespann Oleg Kuleshov und Alexander Rymanov entscheidend geändert. Das Team spielt erfolgsorientierter, mit mehr Tempo und Zug zum Tor sowie Flexibilität als in den mauen Jahren zuvor, in denen statischer also körperbetonter Handball im Mittelpunkt stand.
Die beiden Trainer, die als Spieler Weltmeister wurden, haben keinen Ausnahmespieler in ihren Reihen. Doch diese Tatsache kann auch eine Stärke sein, da die Mannschaft schwerer auszurechnen ist. Trotz der 27 Tore gegen Saudi-Arabien erzielte kein Spieler mehr als vier Tore.
Auf den gegen die Saudis zwischen den Pfosten gestarteten Vadim Bogdanov müssen die Russen heute allerdings verletzungsbedingt verzichten. Oleg Grams ersetzt den Keeper im Kader und Igor Levshin wird im Tor beginnen. Im ersten Spiel erledigte dieser seine Aufgabe im zweiten Durchgang ganz hervorragend mit 53 Prozent abgewehrter Würfe.
Das Spiel gibt es heute Abend – wie alle anderen deutschen Partien – erneut nur auf Sky gegen Bezahlung zu sehen. Liveticker bieten sich auf verschiedenen Kanälen an- Ich erwarte einen knappen Sieg des deutschen Teams. Mein Tipp: zwei Tore vor.