Ist der FC St. Pauli aufstiegsschwanger?

Ein Artikel des Norddeutschen Fußballverbands sorgt für Verwirrung. Hat der FC St. Pauli tatsächlich die Lizenz für die zweite Bundesliga beantragt?

 

Der Montagmorgen begann mit einem kleinen Schock. Der Norddeutsche Fußballverband vermeldete auf seiner Webseite: "Stattdessen haben die zweitplatzierte Mannschaft des TV Jahn Delmenhorst sowie der drittplatzierte FC St. Pauli ihre Zulassungsunterlagen für einen möglichen Aufstieg in die zweithöchste deutsche Spielklasse eingereicht. Die Mannschaft aus Delmenhorst, die sich mit dem Erreichen des zweiten Tabellenplatzes sportlich für den Aufstieg qualifiziert hat, muss nun bis voraussichtlich Mitte Juni auf eine Antwort des DFB warten."

 

Wenn diese Mitteilung stimmen sollte (warum sollte man dem Verband misstrauen?), hätte der FC St. Pauli nach dem erfolgreichen Saisonabschluss noch immer eine theoretische Chance auf den Aufstieg. Denn wer kann schon garantieren, dass der TSV Jahn Delmenhorst die Lizenz für die zweite Bundesliga erhält?

Verband überrascht

Einen Tag zuvor hatten die Ersten Frauen des FC erst eine sehr erfolgreiche Aufsteigersaison abgeschlossen. Das Team besiegte am letzten Spieltag Delmenhorst klar und verdient mit 5:0. Das Trainer-Urgestein Kai Czarnowski wurde ebenso verabschiedet wie die langjährige Kapitänin Inga Schlegel. Das Team beendete die Saison auf Rang drei - wie gesagt als Neuling!

 

Am Tag darauf flog  dann die obengenannte Meldung des NFV herein, deren Bestätigung von Vereinsseite eine Sensation gewesen wäre. Die Verantwortlichen hatten immer Gegenteiliges behauptet. Ein Anruf bei der Abteilungsleitung brachte aber schnell Klarheit. Eine Meldung hat es nur für die Regionalliga gegeben, auf weitere Bewerbungen habe man verzichtet.

 

Warum aber ist aktuell zweitklassiger Fußball beim FC St. Pauli nur bei den Männern möglich? Schließlich gab es in dieser Saison mit dem Bramfelder SV doch ein anderes Hamburger Team in der zweiten Liga. Die Antwort ist ganz einfach, die Anforderungen des DFB sind für die Abteilung derzeit nicht machbar.

 

Die Stadionfrage und der DFB

Einerseits würde sich die Stadionfrage stellen. Eine Anlage mit 2000 Plätzen fordert der DFB - inklusive 140 überdachter Sitzplätze. Ein Kunstrasen ist aber erlaubt, sofern er der geforderten Norm entspricht. Das bedeutet unter anderem, eine gewisse Auslaufzone an den Auslinien muss vorhanden sein. Kurzum, die Feldarena würde glatt durchfallen. Hinzu kommen weitere Hürden. Für die Trainer/innen müssen beispielsweise zusätzliche Duschkabinen angeboten werden.

 

Doch auch der finanzielle Aufwand ist mit der Regionalliga nicht vergleichbar. Die Kosten für die Schiedsrichter/innen verdoppeln sich. Zudem muss jede Spielerin eine ärztliche Untersuchung über ihren Fitnesszustand absolvieren - das sind pro Spielerin um die 300 Euro. Die Anfahrtswege werden länger, weshalb nicht nur der Bus teurer werden würde. Auch Übernachtungen könnten nötig sein, um mit einem nicht gestressten Team auflaufen zu können.

 

Es ist nicht so, dass die Vereine vom DFB alleine gelassen werden. So sagte Präsident Reinhard Grindel im kicker: " Der SV Henstedt-Ulzburg hat eine Mannschaft in der 2. Frauen-Bundesliga und bekommt vom DFB 20 000 Euro im Jahr für Reisekosten, für Trainer und für sportärztliche Betreuung."

 

 Doch das Geld gibt es nur, wenn dazugehörige noch höhere Kosten ausgewiesen werden. Dann werden anteilige Pauschalen gezahlt. Beim FC St. Pauli arbeiten die Trainer/innen ehrenamtlich gegen eine geringe Aufwandspauschale und die Reisekosten werden niedrig gehalten.

 

Hohe Belastung für alle Beteiligten

Zudem kommt eine höhere Belastung für  den Trainerstab und die Spielerinnen zu. TSV-Trainer Claus-Dieter Meier sagte mir am Sonntag nach dem Spiel, dass sein Team in Zukunft viermal die Woche trainieren werde, um sportlich überhaupt einigermaßen mithalten zu können.

Da stellt sich natürlich die Frage nach einem finanziellen Ausgleich für die Balltreterinnen. Eine Studentin ist beispielsweise kaum noch in der Lage, ein Studium durch Arbeit zumindest zu gewissen Teilen zu finanzieren, wenn sie vier Abende und einen kompletten Tag mit dem Ball verbringt.

All diese Hürden hat Bramfeld in dieser Saison umschifft. Nach meinem Erkenntnisstand werden die Spielerinnen dort nicht bezahlt, bei der Stadionfrage hat der DFB ein Auge zumindest für einen gewissen Übergang zugedrückt. Doch das Team war chancenlos und stieg mit lediglich drei Punkten auf der Habenseite sang- und klanglos als Tabellenletzter ab.

Was bringt die Zukunft? Das ist schwierig vorauszusagen. Nach aktuellen Aussagen der Verantwortlichen beim FC St. Pauli ist an Zweitligafußball derzeit nicht zu denken. Zumal die Anforderungen im nächsten Jahr durch das Zusammenwachsen der derzeit noch zweigeteilten Liga noch größer werden. Es ist nicht vorstellbar, einfach mal für einen Tag zum zweiten Team des FC Bayern nach München zu jetten, um den zeitlichen Aufwand so gering wie möglich zu halten.

 

Wie wäre die Zweite Bundesliga zu stemmen?

Zwar würden Teile der Herrenfußballabteilung gerne die einstmals aus guten Gründen erfolgte Spaltung rückgängig machen (was weitere finanzielle Mittel freisetzen würde), doch daran ist nicht zu denken. Das Verhältnis ist gut. Die Finanzierung der Frauenumkleidekabinen wurde beispielsweise von den Herren übernommen, aber eine Aufgabe der Selbstständigkeit der Mädchen- und Frauenabteilung wäre nicht vermittelbar.

 

Eine weitere Hürde ist die Abteilungsordnung, die in der jetzigen Form mögliche Sponsoren - Interessenten würde es geben - nicht zulässt. Auch diesem Entschluss ging eine jahrelange Diskussion um die Ziele und Werte des FC St. Pauli Frauenfußballs voraus. Diese Regel zu ändern, wäre eher vermittelbar als ein kompletter Abteilungsübertritt.

 

Lobenswert müssen an dieser Stelle die Fans erwähnt werden, die in den letzten Jahren teilweise Mitglied der Abteilung geworden sind. Ihre Beiträge und ihr Engagement für Merchandising spülen Mittel in die Kasse und offenbaren das große Potenzial des Frauenfußballs beim FC St. Pauli. Doch an einen weiteren Aufstieg ist derzeit nicht zu denken, wenn auch dieser rein sportlich in dieser Saison nicht allzu fern war.

 

Anmerkung:
Der Verband hat den Text mittlerweile angepasst. Von den Regionalligisten hat nur Delmenhorst für die zweite Liga gemeldet.

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