Fertig

Am Ende flossen Tränen. Dank des TuS Schwachhausen steigt der FC St. Pauli in die Regionalliga auf. Die Bremerinnen verloren "nur" 0:3 bei TuRa Meldorf. Damit stehen die Braunweißen mit vier Punkten an der Spitze der Relegationstabelle dank des besseren Torverhältnisses.

 

Fünf Tore durfte Meldorf nicht schießen. Auf der Anfahrt diskutierten Team und Fans über den möglichen Ausgang. Die Grundstimmung war angespannt positiv, der Autor dieser Zeilen bildete mit seinem 6:0-Pessimismus die Ausnahme von der Regel. Eifrig wurde spekuliert, ob das regnerische Wetter Schwachhausen nutzen würde.

 

Angekommen wurde überraschend festgestellt, dass die Platzgröße nicht den Erwartungen entsprach. Direkt neben einer Schule gelegen, ist das Grün doch nicht so riesig, wie vorher kolportiert wurde. Ein am Eingang ausliegendes sehr informatives Heft klärte das Publikum auf, um was es ging. Der Zuschauerzuspruch hielt sich aber in Grenzen.

 

Meldorfer Blitzstart

Gut 200 Menschen hatten sich eingefunden, um die Entscheidung der Aufstiegsfrage zu erleben. Über 50 Fans waren aus Hamburg angereist, um Schwachhausen zu unterstützen. Meldorf griff von der ersten Spielminute an. Annika Freitag haute den Ball schon in der achten Minute an die Latte. Dem anschließenden Abstauber ins Tor verweigerte Schiedsrichterin Jacqueline Herrmann aufgrund einer Abseitsstellung die Anerkennung.

 

Keine 60 Sekunden später stand es dennoch 1:0. Gesa von Drathen war auf halblinks durchgebrochen und beförderte den Ball Richtung Tor. Ob dieser dann von einer Schwachhauserin ins eigene Tor abgelenkt wurde, war nicht klar ersichtlich. Die St. Pauli-Fans hatten ein Streitthema gefunden, um dann aber doch wieder mit Gesängen und lauten Schreien die Gäste zu ermuntern. Die ohnehin sehr angespannte Torjägerin des FC Nina Philipp wurde noch ein Stückchen blasser.

 

Das half. Schwachhausen überstand den Rest der Anfangsphase und sogar den Rest der ersten Hälfte unbeschadet. Das Team überraschte nun mit Offensivgeist und gab erste Torschüsse ab. Nach einer halben Stunde bestaunte das Publikum einen Pfostenschuss von Julia Eßer.

 

Hektik und Gelbe Karten

Meldorf kam nur noch einmal gefährlich vor das Tor. Bei einem Schuss von Daniela Pereira tauchte Nantke Penner gerade noch ins rechte Eck ab und verhinderte einen weiteren Einschlag. Meldorf wurde in der Folge hektisch. Kapitänin Kerstin Tiessen und Vanessa Voss kassierten eine Verwarnung. Am Seitenrand stritten beide Trainer. Für die Fans der Braunweißen waren das gute Zeichen.

 

Auf Seite Meldorfs herrschte zur Pause große Unzufriedenheit über die Schiedsrichterinnen. Das Gespann war aus Hamburg angereist. Das ist sicherlich unglücklich. Doch die Partie in Bremen hatte eine Woche vorher die Kielerin Tanja Petersen geleitet. Insofern sollten Verschwörungstheorien außen vorbleiben.

 

Kollektives Zittern als Massenereignis

Mit einer frischen Kraft kam Meldorf aus der Pause und setzte Nina Philipp weiter zu. Denn die für Pereira eingewechselte Janina Lucks überraschte Schwachhausens Deckung und erhöhte auf 2:0 - eine Minute nach der Pause. Sechs Zeigerumdrehungen später stand es gar 3:0 nach einem Lucks-Kopfball. Die Gastgeberinnen waren nun obenauf und setzten nach.

 

Philipp spielte ab sofort mit. Schoss selbst aufs Tor und warf sich in die Bälle. Wie fast alle St. Pauli-Fans, denen das Wasser bis zum Hals und teilweise schon fast in den Augen stand. Es war Kathrin Wege, die das selbige auf dem Feld unternahm und Schwachhausen Schritt für Schritt wieder aufrichtete.

 

Wie schon im ersten Durchgang gelang es Schwachhausen, sich aus der Umklammerung zu befreien und auch selbst wieder Torchancen zu kreieren. Die Anhänger Meldorfs waren aber weiterhin optimistisch. Wenn TuRa das vierte Tor bis zur 80. Minute gelänge, würde das fünfte mit Sicherheit auch folgen - so die vorherrschende Meinung.

 

Doch Freitag und Von Drathen vergaben per Fuß und Kopf in der 79. und 81. Minute sehr gute Chancen auf Nummer vier. Der Rest war Zittern aufseiten St. Paulis, das jedoch immer weniger Begründung fand. Die Schiedsrichterin hatte aber offenbar großes Gefallen an diesem kollektiven Massenphänomen und legte noch vier Minuten obendrauf.

 

Der Karrierehöhepunkt der Kapitänin

Mit dem Schlusspfiff brach nicht nur Jubel aus, sondern auch viele Dämme in den Augen. Nun war es nicht nur die sichtlich mitgenommene Philipp, aus der der Druck einer unendlich langen Woche brach. Der Kapitänin Inga Schlegel, die den Weg seit der Bezirksliga mitgeht, und den anderen Spielerinnen wurde nun bewusst, welch großartige Leistung das Team vollbracht hatte.

 

In dieser Saison nur im Pokalfinale von einem Spitzenteam der Regionalliga geschlagen, steigen die Ersten Frauen des FC St. Paulis in die dritte Liga auf und verlassen damit erstmals Hamburgs Verbandsgrenzen. Schlegel meinte nach der Partie, dass es für sie der Höhepunkt der Karriere ist und wohl immer sein wird. Doch für die vielen jüngeren Spielerinnen würden sich nun Chancen auf Größeres eröffnen.

 

Dem Fazit der Kapitänin ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Auf der Rückfahrt und danach im Jolly Roger wurde viel gesungen und getanzt. Niemand wollte über Zukünftiges reden. Der Moment wurde genossen und immer wieder Dankbarkeit gegenüber Schwachhausen formuliert. Die Bremerinnen werden in der Saisonvorbereitung an die Feldstraße kommen. Dann aber wohl ohne Trainer Benjamin Eta, der das Männerteam des Vereins übernimmt.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Benjamin Eta (Montag, 20 Juni 2016 01:13)

    Selbstverständlich komme ich auch an die Feldstrasse! Trotz der Männer, werde ich die Frauen nicht verlassen ;)

  • #2

    Peter Beardsley (Freitag, 22 Juli 2016 18:40)

    Uwe, Du warst offensichtlich zum ersten Mal in Schleswig-Holstein. Die Unterstellung, eine Schiedsrichterin aus Kiel wäre ein Vorteil für ein Team aus Dithmarschen ist so realitätsfremd, dass ich mich nur wundern kann.

  • #3

    Uwe Toebe (Montag, 25 Juli 2016 12:29)

    Du hast natürlich Recht. Als Sozial-Ökonom hätte mir mit dem Blick auf die Wahlergebnisse aus den letzten Jahren der Weimarer Republik durchaus bewusst sein können, welche großen gesellschaftlichen Unterschiede beziehungsweise Verwerfungen S-H damals prägten :-)