Was kann man vom deutschen Team erwarten?

Gestern noch wollte Bundestrainer Dagur Sigurdsson uns nicht verraten, wer zum 16er-Kader des Turniers gehört. 18 Spieler hat er nach Doha mitgenommen, zwei musste er nun aus dem Aufgebot streichen, zumindest vorerst.


Es erwischte wie erwartet Torhüter Adreas Wolff und den Linksaußen Matthias Musche. Mit drei Torhütern in das Turnier zu starten, wäre eine verschenkte Feldoption gewesen und auf den Außenpositionen ist das deutsche Team sowieso in Sachen Qualität und Quantität gut besetzt.


Die Regel sieht vor, dass Sigurdsson zwei Veränderungen an seinem Kader im Laufe des Turniers vornehmen kann, weshalb die beiden Spieler in Doha bleiben. Der Coach muss aber nicht zwangsläufig einen der beiden wählen, sondern kann auch andere Akteure aus einem vorher schon festgelegten 28er-Kader berufen.


Wie stark ist das deutsche Team einzuschätzen? Die Erwartungshaltung ist niedrig nach den Enttäuschungen der letzten Jahre. Bei der letzten Europameisterschaft hatte das Team die Qualifikation verpasst und 2014 eigentlich auch die Teilnahmeberechtigung an der WM. Nur durch eine Wildcard kam der Fünfte der letzten WM in den Genuss, die Reise nach Katar überhaupt antreten zu dürfen.


Das Hauptproblem der deutschen Mannschaft ist, dass kaum ein Akteur von den großen drei Clubs der Liga kommt, die sich selbst als die stärkste der Welt bezeichnet, und damit wohl nicht falsch liegt. Die letzten drei Champions-League-Sieger sind schließlich Bundesligisten und auch in den anderen Europapokalwettbewerben sind die Erfolge sehr beachtlich.


Doch es spielen kaum Nationalspieler in Flensburg, Kiel oder Mannheim Handball. Man stelle sich einmal eine Fußballnationalmannschaft mit gerade einmal sechs, sieben Profis aus München, Dortmund und Schalke vor. So in etwa ist die Situation des deutschen Handballs. Die Vereine sind international absolut topp, bauen dabei aber aus Qualitätsgründen aber vor allem auf internationale Stars.


Zudem hat Sigurdsson einiges Verletzungspech zu beklagen. Im linken Rückraum fallen gleich mehrere Akteure aus. Dort ist auch die größte Schwachstelle im deutschen Team zu finden. Überhaupt fehlt es dem deutschen Rückraum an Tiefe. Paul Drux steht in der Mitte nun mit gerade einmal 19 Jahren in der Verantwortung. Ob er diese bei einem Turnier mit Spielen an jedem zweiten Tag auf Dauer tragen kann?


Es steht zu befürchten, dass die nötige Konstanz im Kader allgemein nicht vorhanden ist. Sigurdsson soll vor allem für die 2019 anstehende WM, die der DHB gemeinsam mit dem dänischen Verband veranstalten wird, eine schlagkräftige Truppe aufbauen. Die WM ist dabei nur ein Zwischenschritt. Auf den Außenpositionen kann er hingegen mit Kapitän Uwe Gensheimer und dessen Vereinskollegen Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) auf zwei sichere Bänke bauen. Gleiches gilt auch für den Kreis mit Patrick Wiencek. Der eingeplante Flensburger Jacob Heinl muss allerdings verletzt passen.


Einige Experten halten auch das Torhüter-Duo Silvio Heinevetter und Carsten Lichtlein für Garanten des Erfolgs. Ich bin diesbezüglich eher skeptisch. Carsten Lichtlein ist ein sehr erfahrener Mann wie auch Silvio Heinevetter. Ersterer zeigte zum Jahresabschluss auch eine tolle Form, doch gerade Heinevetters Saison ist bislang mäßig. Deswegen erwarte ich Lichtlein heute in der Starting Seven. Doch er alleine wird zwischen den Pfosten nicht ausreichen. Stichwort Konstanz.


Offiziell lautet das Ziel Achtelfinale. Das ist machbar angesichts der Auslosung. Die Gruppengegner Dänemark und Polen nehmen die Favoritenstellung ein. Dahinter werden Russland und Argentinien die Konkurrenten sein, von denen das deutsche Team einen verdrängen muss, um die nächste Runde zu erreichen. Saudi-Arabien werden keinerlei Chancen eingeräumt.


Alles über das Achtelfinale hinaus wird schwierig und ist von den kommenden Gegnern abhängig. Dieser würde aus der Gruppe C stammen und dort tummeln sich mit Frankreich, Schweden und Island einige Hochkaräter. Das interne Ziel wird mindestens Platz sieben lauten, der die Teilnahme an einem Qualifikationsturner für die Olympischen Spiele 2016 ermöglicht.


Der heutige Gegner ist einen Schritt weiter. Das muss er auch, denn bei der EM im eigenen Land im nächsten Jahr will die polnische Elf um den Titel mitspielen. Sigurdsson bezeichnete Polen gestern „als einen der Favoriten auf den Titel“. „Man selbst fange bei Null an zu Turnierbeginn, seine Spieler seien alle fit.“


Eine Warnung hatte der DHB-Coach ebenso parat. „Der polnische Rückraum ist sehr stark.“ Auf Karol Bielecki, Michal Jurecki und Krzysztof Lijweski gilt es dabei heute Abend besonders zu achten. Das Trio, das früher einzeln die Bundesliga aufmischte, ist nun beim polnischen Meister Kielce vereinigt und daher perfekt aufeinander abgestimmt.


Das Spiel gibt es ab 19 Uhr entweder live in der Halle oder Sky zu sehen. Die Spiegel-Kollegen bieten einen Live-Ticker an. Es ist zu befürchten, dass die Partie vor einer Minuskulisse stattfinden wird. Schon gestern war die Halle beim Eröffnungsspiel nur zur Hälfte gefüllt, wenn überhaupt.

 

Es folgen noch bildliche Eindrücke von gestern:

Katar, Brasilien, Handball-WM, Katar 2015
Katar im Angriff gegen Brasilien. Doch hinter dem Tor herrscht Desinteresse
Handball-WM, Katar 2014, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani
Oben in der Mtte trohnt der Boss, seine Hoheit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani
Katar 2015, Handball-WM
Auch wir Journalisten erhielten eine allgemeine Grundversorgung. Wohin nur mit dem Kram?

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Kommentare: 3
  • #1

    Anja (Freitag, 16 Januar 2015 16:24)

    Schicker Schal! Der macht sich doch bestimmt gut an einer Wand im Jolly Roger.

  • #2

    Uwe Toebe (Freitag, 16 Januar 2015 23:35)

    Oh, der ist nun schon an meinen Gastgeber verschenkt. Soll ich noch einen auftreiben?

  • #3

    Anja (Samstag, 17 Januar 2015 09:46)

    Och nö, muss nich.