Ein Raumschiff in der Wüste

Der Termin des Eröffnungsspiels rückt näher. Für morgen plane ich deshalb eine Vorschau auf die Mannschaft des Gastgebers. Heute war der Tag der Akkreditierung vor Ort. Der begann durchaus originell.

 

Am Medienhotel traf ich auf drei Sky-Journalisten, die wie ich nach Lusail zum Medienzentrum wollten. Dieses ist in der Lusail Multipurpose Hall beheimatet. Der Weg dorthin war ein beschwerlicher und lässt für die nächsten Tage einigen Zeitaufwand befuerchten. Nach einer gewissen Wartezeit wurden wir zu viert zum Radisson Blu, einem weiteren Medienhotel, verfrachtet. Dieses wird während der Veranstaltung als einer von mehreren Sammlungsorten dienen, von denen die Journalisten per Shuttle in die Hallen gebracht werden.

 

Wir hätten dort fast eine Stunde auf den nächsten Shuttle warten sollen, weshalb kurzfristig eine Limousine geentert wurde. Der Fahrer hatte allerdings zuvor noch nie etwas von der Halle nördlich von Doha gehört, weshalb er sich telefonisch Rat über den Weg dorthin einholte. Wobei der Begriff Halle kaum zutreffend ist aufgrund der ungeheuren Größe. Der 'Ort' Lusail besteht im Moment vor allem aus Geröll, Kies und aufgeschütteten Sandbergen. Quasi aus dem Nichts taucht dann plötzlich ein riesiges, aber sehr elegantes Ungetüm auf.

 

Die Arena in München wird oft als UFO tituliert. Doch einem Vergleich mit der Lusail Multipurpose Hall in Bezug auf etwas Besonderes kann sie nicht standhalten. Der erste Eindruck ist bizarr, absolut grotesk, der zweite ebenso. Ich bin neugierig, ob sich das in den nächsten Tagen ein wenig relativiert oder zu einem stetigen Eindruck verfestigen wird. Wird das Raumschiff ein Raumschiff bleiben?

 

Details über die Halle könnt ihr hier finden. Die virtuellen Bilder eins und zwei sind stimmig. Dies gilt nicht für die dritte Darstellung. Für gärtnerische Arbeiten hat die Zeit kaum gereicht. Diesbezüglich herrscht Nachholbedarf. Es ist außerdem überraschend, dass die auf Perfektion bedachten Organisatoren nicht ganz fertig mit dem Projekt geworden sind. Denn an vielen Stellen außerhalb der Halle, aber auch in dem Gebäude wird noch gewerkelt, quasi bis zur letzten Sekunde. Für das Spielfeld und die Zuschauerränge gilt dies aber nicht. Die sind einen Tag vor der Veranstaltung in einem optimalen Zustand, insofern ich das in Sachen Spielfeld aus der Entfernung überhaupt beurteilen kann. Mal sehen, was die deutschen Spieler morgen dazu sagen werden.

 

 

Noch wird gebohrt, gehämmert und eben auch gestrichen
Noch wird gebohrt, gehämmert und eben auch gestrichen

Der Medienbereich in dem Raumschiff ist riesig. Ueber mehrere Stockwerke gibt es Arbeitsbereiche, Ruhezonen und ein Restaurant mit einer grossen Auswahl. Katar 2015 setzt auch in diesem Bereich neue Massstaebe. Die Chefin des Medienzentrums Fatma al Obaidli aeussert sich sehr offen auf der offiziellen Homepage: “Die Weltmeisterschaft ist eine einzigartige Moeglichkeit unsere Vision Katar 2030 der Welt naeherzubringen.” Diese Aussage entstammt uebrigens aus einer als Interview getarnten Selbstdarstellung, die von mehreren katarischen Medien 1:1 ohne Quellenhinweis abgedruckt wurde.


Also heißt es herzlich willkommen auf der USS Enterprise NCC/1701. Denn so fühlt man sich in dieser Oase inmitten der Wüste. Schnell geht der Blick zur Wirklichkeit verloren. Außerhalb des Gebäudes dominiert eine lebensfeindliche Umgebung, die einen in kürzester Zeit vernichten würde, drinnen ein Paradies des Service, der Freundlichkeit, des Luxus. Das ist die Wirklichkeit der Vision Katar 2030.



Beeindruckend ist das Volumen der Halle auch mit Blick aus einer VIP-Loge heraus
Beeindruckend ist das Volumen der Halle auch mit Blick aus einer VIP-Loge heraus
Die Spiegelung an der Decke - da muss einem schwindlig werden
Die Spiegelung an der Decke - da muss einem schwindlig werden

Etwas überrascht war ich über das laxe Kontrollsystem innerhalb des Raumschiffs. Der Zutritt ist nur durch eine Sicherheitsschleuse möglich. Doch in den Fluren des riesigen Gebäudes war es mir möglich zu vielen Orten zu gelangen, für die meine Akkreditierung eigentlich nicht ausreichte. Das lag schlicht daran, dass ich mich mehrmals verlief und ungefragt durch Türen gehen, beziehungsweise Aufzüge benutzen konnte, durch die ich wohl eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Zudem ist die Motivation der Arbeitskräfte sehr unterschiedlich. Die Skala reicht von sehr engagiert und hilfsbereit bis hin zu einer großen Gleichgültigkeit. Das trifft auf alle Bereiche zu, in denen ich mich bislang bewegte.

 

Aufgrund der Probleme beim Anfahrtsweg verpasste ich das Training des deutschen Teams. Morgen wird es seine Pressekonferenz im Teamhotel (natürlich das Hilton - könnte es anders sein) geben. Allerdings recht ungünstig um 12:30 Uhr. Und dann ist ja abends noch die Eröffnungszeremonie und anschließend das erste Spiel zwischen Katar und Brasilien.

Das war es vom zweiten Tag in Doha.

 

 

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