Das Raumschiff in der Wüste Teil II

Es ist wieder spät geworden. Hier der zweite Teil, welcher eigentlich der erste Part des Tages war. Gewisse Abschnitte werden Euch daher bekannt vorkommen. Ich habe den gestrigen Bericht noch einmal überarbeitet und mit Aussagen des Teammanagers der deutschen Mannschaft ergänzt. Diese Informationen will ich Euch nicht vorenthalten, deshalb das alles nun etwas konkreter. In diesem Zusammenhanb erlaube ich mir, auf einen Kommentar des Kollegen Christian Teevs hinzuweisen.

 

Für morgen plane ich eine Einschätzung des deutschen Teams wie des Auftaktgegners Polen, insofern es die Zeit erlaubt. Gerne hätte ich erneut Fotos eingebaut, doch das ist in meiner Unterkunft enorm zeitaufwändig. Nach den letzten Nächten, in denen ich nie vor drei Uhr nachts ins Bett kam, möchte ich es heute ruhiger ausklingen lassen.

 

Einen Strich machte mir dabei übrigens ein Mann in Weiß samt Frau. Der hielt einfach den losgefahrenen Shuttle an und ließ sich anschließend dreiviertel um die Halle zu seinem PKW fahren. Dort verließ er den Bus mit einem coolen 'Thanks Guys'. Doch uns hatte er nie gefragt.

 

Noch kurz zur Eröffnungsfeier: Alles nett und farbenprächtig. Nicht so spektakulär wie erwartet, zum Glück. Die Medien in Deutschland schreiben von 14.000 Zuschauern. Das hieße die Halle wäre zu über neunzig Prozent gefüllt gewesen. Das stimmt allerdings nicht. Ich würde die Zahl auf 10.000 Besucher schätzen. Anschließend feierte Katar einen 28:23-Auftaktsieg in einer mäßigen Partie.

 

Nun aber noch einmal zur Halle selbst:

 

Knapp zwanzig Kilometer vor Doha haben die Organisatoren die Haupthalle der WM gepflanzt. Inmitten von Geröll und aufgeschütteten Sandbergen erhebt sich die Lusail Multipurpose Hall, die so unwirklich wirkt, dass sich der Vergleich mit einem gelandeten Raumschiff einer fremden Spezies unmittelbar aufdrängt. In einer lebensfeindlichen Umwelt wurde eine Halle für 15.300 Zuschauer gebaut, die kaum einen Wunsch offen lässt und nur der erste Baustein einer vom Reißbrett geplanten Stadt sein soll.

 

Zu diesem Raumschiff zu gelangen, ist gar nicht so leicht. Die Organisatoren haben sich zwar ein Shuttle-System einfallen lassen, doch Journalisten aus dem Süden Dohas, in dem viele Medienhotels liegen, müssen in der Regel eineinhalb Stunden einplanen, um die Halle zu erreichen. Per Taxi geht es schneller, doch muss man darauf gefasst sein, dass der Fahrer nicht weiß, wo der Sportkomplex in Lusail liegt, beziehungsweise, dass es diesen überhaupt gibt. Auch

von der Handballweltmeisterschaft haben viele noch nie gehört.

 

Das mag daran liegen, dass die Taxifahrer in der Regel Nepalesen, Pakistani oder Inder sind, welche die Sportvisionen der Herrscherfamilie wenig interessieren, da sie andere alltägliche Sorgen haben. Ihre Landsleute sind unter schwierigsten Bedingungen mit dem Aufbau der Infrastruktur beschäftigt, welche einmal die Lebensadern der neuen Stadt sein sollen. In Lusail wird schließlich schon in sieben Jahren das Endspiel der FIFA-Fussballweltmeisterschaft stattfinden. Bis dahin gilt es eine Stadt aus dem Nichts zu stampfen, bei bis zu fünfzig Grad Celsius im Sommer.

Der Komplex verfügt über zwei Trainings- und die Haupthalle über insgesamt 45.000 Quadratmeter. Die beindruckende Dachkonstruktion, die aus Glas besteht, schließt ein Bauwerk ab, das aufgrund der rauen Umgebung wie ein bizarres Ungetüm aus einer anderen Welt wirkt, welches am falschen Platz steht. Auch bei anderen Verhältnissen wäre der Bau ohne Zweifel bemerkenswert. Doch aufgrund des Standorts wirkt er so irreal, dass er einem Planet-der-Affen-Film entnommen sein könnte.

 

Der Teammanager der deutschen Mannschaft, Oliver Roggisch, lobt „die idealen Trainingsmöglichkeiten“ und spricht von fast „unglaublichen Bedingungen.“ Das Team schaute sich einen Tag vor dem Eröffnungsspiel die Halle an und absolvierte ein einstündiges Training, um die Atmosphäre, wenn auch vor leeren Rängen, kennenzulernen. Die sollen bei den Spielen natürlich voll besetzt sein, so hoffen die Kataris. Roggisch lobt die Organisatoren, doch er weist auch darauf hin: “Ob die WM ein Erfolg wird, hängt vom Interesse und der Begeisterung der Fans ab.“

 

Anschließend bummelte die Mannschaft noch durch die Villagio Shopping Mall in der Aspire Zone im Südwesten Dohas und lernte dabei einen weiteren Aspekt des katarischen Selbstverständnisses kennen. Das Einkaufszentrum wird auch Klein-Venedig genannt, da es der italienischen Lagunenstadt nachempfunden ist. Auf 130.000 Quadratmetern sind kleine Brücken und Gondeln zu entdecken.

 

Zurück zur Lusail Multipurpose Hall. Der Medienbereich in dem Raumschiff ist so riesig, dass immer wieder verirrte und fragende Journalisten gesichtet werden. Über mehrere Stockwerke gibt es Arbeitsbereiche, Ruhezonen und ein Restaurant mit drei großen Theken. Katar 2015 setzt auch in diesem Bereich neue Maßstäbe. Die Chefin des Medienzentrums Fatma al Obaidli äußert sich sehr offen auf der offiziellen Homepage: “Die Weltmeisterschaft ist eine einzigartige Möglichkeit unsere Vision Katar 2030 der Welt näherzubringen.” Diese Aussage entstammt aus einer als Interview getarnten Selbstdarstellung, die von mehreren katarischen Medien 1:1 ohne Quellenhinweis abgedruckt wurde.

 

Also heißt es herzlich willkommen auf der USS Enterprise NCC/1701. Denn solch ein Gefühl breitet sich in dieser Oase inmitten der Wüste aus. Schnell droht der Blick zur Wirklichkeit verloren zu gehen. Außerhalb des Gebäudes dominiert eine lebensfeindliche Umgebung, die Menschen ohne Kenntnisse in kürzester Zeit vernichten würde und in der unter brutalen Bedingungen gearbeitet wird. Drinnen herrscht ein Paradies des Service, der Freundlichkeit, des Luxus. Das ist die Wirklichkeit der Vision Katar 2030.

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Ein Raumschiff in der Wüste

Der Termin des Eröffnungsspiels rückt näher. Für morgen plane ich deshalb eine Vorschau auf die Mannschaft des Gastgebers. Heute war der Tag der Akkreditierung vor Ort. Der begann durchaus originell.

 

Am Medienhotel traf ich auf drei Sky-Journalisten, die wie ich nach Lusail zum Medienzentrum wollten. Dieses ist in der Lusail Multipurpose Hall beheimatet. Der Weg dorthin war ein beschwerlicher und lässt für die nächsten Tage einigen Zeitaufwand befuerchten. Nach einer gewissen Wartezeit wurden wir zu viert zum Radisson Blu, einem weiteren Medienhotel, verfrachtet. Dieses wird während der Veranstaltung als einer von mehreren Sammlungsorten dienen, von denen die Journalisten per Shuttle in die Hallen gebracht werden.

 

Wir hätten dort fast eine Stunde auf den nächsten Shuttle warten sollen, weshalb kurzfristig eine Limousine geentert wurde. Der Fahrer hatte allerdings zuvor noch nie etwas von der Halle nördlich von Doha gehört, weshalb er sich telefonisch Rat über den Weg dorthin einholte. Wobei der Begriff Halle kaum zutreffend ist aufgrund der ungeheuren Größe. Der 'Ort' Lusail besteht im Moment vor allem aus Geröll, Kies und aufgeschütteten Sandbergen. Quasi aus dem Nichts taucht dann plötzlich ein riesiges, aber sehr elegantes Ungetüm auf.

 

Die Arena in München wird oft als UFO tituliert. Doch einem Vergleich mit der Lusail Multipurpose Hall in Bezug auf etwas Besonderes kann sie nicht standhalten. Der erste Eindruck ist bizarr, absolut grotesk, der zweite ebenso. Ich bin neugierig, ob sich das in den nächsten Tagen ein wenig relativiert oder zu einem stetigen Eindruck verfestigen wird. Wird das Raumschiff ein Raumschiff bleiben?

 

Details über die Halle könnt ihr hier finden. Die virtuellen Bilder eins und zwei sind stimmig. Dies gilt nicht für die dritte Darstellung. Für gärtnerische Arbeiten hat die Zeit kaum gereicht. Diesbezüglich herrscht Nachholbedarf. Es ist außerdem überraschend, dass die auf Perfektion bedachten Organisatoren nicht ganz fertig mit dem Projekt geworden sind. Denn an vielen Stellen außerhalb der Halle, aber auch in dem Gebäude wird noch gewerkelt, quasi bis zur letzten Sekunde. Für das Spielfeld und die Zuschauerränge gilt dies aber nicht. Die sind einen Tag vor der Veranstaltung in einem optimalen Zustand, insofern ich das in Sachen Spielfeld aus der Entfernung überhaupt beurteilen kann. Mal sehen, was die deutschen Spieler morgen dazu sagen werden.

 

 

Noch wird gebohrt, gehämmert und eben auch gestrichen
Noch wird gebohrt, gehämmert und eben auch gestrichen

Der Medienbereich in dem Raumschiff ist riesig. Ueber mehrere Stockwerke gibt es Arbeitsbereiche, Ruhezonen und ein Restaurant mit einer grossen Auswahl. Katar 2015 setzt auch in diesem Bereich neue Massstaebe. Die Chefin des Medienzentrums Fatma al Obaidli aeussert sich sehr offen auf der offiziellen Homepage: “Die Weltmeisterschaft ist eine einzigartige Moeglichkeit unsere Vision Katar 2030 der Welt naeherzubringen.” Diese Aussage entstammt uebrigens aus einer als Interview getarnten Selbstdarstellung, die von mehreren katarischen Medien 1:1 ohne Quellenhinweis abgedruckt wurde.


Also heißt es herzlich willkommen auf der USS Enterprise NCC/1701. Denn so fühlt man sich in dieser Oase inmitten der Wüste. Schnell geht der Blick zur Wirklichkeit verloren. Außerhalb des Gebäudes dominiert eine lebensfeindliche Umgebung, die einen in kürzester Zeit vernichten würde, drinnen ein Paradies des Service, der Freundlichkeit, des Luxus. Das ist die Wirklichkeit der Vision Katar 2030.



Beeindruckend ist das Volumen der Halle auch mit Blick aus einer VIP-Loge heraus
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Die Spiegelung an der Decke - da muss einem schwindlig werden
Die Spiegelung an der Decke - da muss einem schwindlig werden
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Handballweltmeisterschaft in Doha/Katar

Eigentlich wollte ich den Blog mit Zeilen eines passenden Punksongs beginnen. Doch Punk und Wüste berühren sich seltener als es natürlich innerhalb des Genres mit den direkten Konfrontationspunkten der Jugendbewegung (unmittelbare soziale Probleme) der Fall ist. Hinzu kommt, dass der vielleicht bekannteste Song, der weitestgehend dem Thema zuzuordnen ist, 1991 von den Marines der US-Streitkräfte im zweiten Golfkrieg brutal missbraucht wurde. Joe Strummer hätte beim Texten zehn Jahre zuvor nie geglaubt, dass ein von ihm geschriebener Song einmal zu einer Kriegshymne werden könnte. Doch genau das geschah mit Rock the Casbah.

 

Es geht also ohne Punksong in die Wüste. In der nächsten Woche beginnt die Handball-Weltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar. Auch das hätten bis vor wenigen Jahren nur wenige Menschen geglaubt: Ein solches Großereignis im Sand. Aber das ist schon der erste Irrtum. Die Wüste Katars besteht meist aus Geröll und Kies und selten aus Sanddünen.

 

Einige Fakten zu Katar (laut Wikipedia):
Katars Regierungsform ist alles andere als demokratisch. An der Spitze einer absoluten Erbfolgemonarchie herrscht ein Emir, und zwar: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani . Es leben 2,1 Mio. Einwohner auf einer Fläche, die in etwa so groß wie Holstein ist (das Bundesland Schleswig-Holstein weist zirka 15.800 Quadratkilometer auf. Und davon entfernt ihr im Gedanken alles was nördlich des Nordostseekanals bzw. Kiels vorzufinden ist). Von den 2,1 Mio. sind gut 1,8 Mio. Gastarbeiter. Diese kommen meist aus Indien oder Pakistan. Seit 1950 (47.000) gab es aufgrund reicher Öl- und Gasvorkommen eine Bevölkerungsexplosion. Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit über 100.000 Dollar pro Einwohner das höchste der Welt, was auch auf den CO2-Ausstoß zutrifft.

Zum allerersten Mal findet eine Handballweltmeisterschaft nur in einer Stadt statt, und zwar in Doha, der Kapitale des Landes. Dort tummeln sich über 1,3 Mio. Menschen. Allerdings ist das auch nicht ganz korrekt. Was von deutschen Medien meist übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Haupthalle außerhalb Dohas in Lusail City liegt. Dort sind zahlreiche Hotels, Büros und Wohnhäuser geplant. In der Retortenstadt sollen in Zukunft über 200.000 Menschen leben. Vorerst begnügt man sich dort mit der Lusail Multipurpose Hall, die im Herbst 2014 fertiggestellt wurde. Mit Platz für 15.300 Fans ist diese zugleich die Haupthalle des Turniers, in der die Eröffnungs- ebenso wie alle deutschen Partien, Halbfinale und das Endspiel stattfinden werden. Lusail City soll bis zur Fußball-WM 2022 fertiggestellt sein. Dort soll sich dann das größte Stadion des Landes befinden, welches auch als Endspielort dienen wird. Die beiden anderen Hallen (ebenso neu gebaut) befinden sich hingegen tatsächlich in Doha und weisen ein Fassungsvermögen von 7.700 bzw. 5.500 auf.

 

Das schreibt und liest sich alles recht skurril. Ich bin sehr gespannt, was mich ab Dienstag vor Ort erwartet. Die deutsche Mannschaft wird am Dienstag ebenso nach Doha fliegen. Dies wird sie als Außenseiter tun trotz des gestrigen klaren 32:24 (14:16) Erfolgs gegen Tschechien. Zu den Aussichten des deutschen Teams werde ich mich später an dieser Stelle äußern.

In den nächsten Tagen wird es auf dieser Seite nicht nur um Handball gehen. Ich will versuchen auch andere sportliche Ereignisse zu er- und verarbeiten. Außerdem werden die kulturellen wie auch politischen Begebenheiten großen Raum einnehmen. Hoffe ich zumindest. Noch aber ist Hamburg der Mittelpunkt und deshalb der Hinweis auf das Hallen-Masters der Frauen am Sonntag ab 11 Uhr in der Alsterdorfer Sporthalle.

 

Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende

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